Transsexualität ist nach wie vor ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft; ja, die meisten Menschen verziehen angewidert das Gesicht, wenn im (ganz seltenen) Fall doch  mal das Thema darauf zu sprechen kommt. Nun, als toleranter und offener Zeitgenosse haben mich die Lebensgeschichten transsexueller Menschen schon immer fasziniert. Ob das nun Anna-Varney von SOPOR AETERNUS war oder Christoph Dobberstein (jetzt Julia), der ehemalige Chief Commander des Kult-Labels Ars Metalli (DIE APOKALYPTISCHEN REITER, MENHIR, ANTICHRISIS...): der Mut und die Entschlossenheit, sich als Mensch im Körper des falschen Geschlechts zu outen, verdient in meinen Augen höchsten Respekt.

Bei der 6-teiligen Serie "Hit & Miss" ist die Transsexualität sozusagen der heimliche Hauptdarsteller, denn letztendlich dreht sich die komplette Geschichte um dieses komplexe Thema. Die Hauptdarstellerin Mia ist transsexuell, als Mann geboren, aber eigentlich eine Frau. Sie hat sich zwar noch nicht operieren lassen, aber die OP ist fest geplant und es fehlt lediglich noch etwas an den finanziellen Mitteln. Diese beschafft sie sich, indem sie im Auftrag des (zu Beginn gar nicht so unsympathisch wirkenden) Gangsters Eddie Menschen tötet. Und das sehr leise, geschickt und effektiv. Ansonsten passiert wenig Aufregendes in ihrem Leben, sie versucht, so gut es geht mit der Situation und ihrem (falschen) Körper umzugehen. Hormonpillen helfen ihr dabei, sich in eine Frau zu verwandeln. Bis auf den Penis ist sie das auch schon, und sogar eine recht ansehnliche. Dann ändert sich plötzlich schlagartig ihr Leben, als sie erfährt, dass sie in einer früheren Beziehung als Mann einen inzwischen 11-jährigen Sohn gezeugt hat und dessen Mutter inzwischen verstorben ist. Wie sich herausstellt, leben insgesamt 4 Kinder in dem Haushalt, und Mia soll sich gemäß dem Wunsch der ehemaligen Lebensgefährtin nun um diese reichlich chaotische und schon halb verwahrloste Truppe kümmern. Anfangs verhalten sich vor allem die älteren Kinder sehr abweisend, aber mit der Zeit lernen sie das bestimmte, trotzdem fürsorgliche Auftreten der neuen "Mutter" zu schätzen. Aber nicht nur innerhalb der Familie schwelen Konflikte, auch von außerhalb stellen Grundbesitzer und nach und nach auch Eddie die neue Familie vor große Schwierigkeiten.

Das Hauptthema wird insgesamt sehr sensibel angepackt und man bekommt einen ersten Eindruck, was es heißt, sich täglich mit der eigenen Identität und den Anfeindungen von außen beschäftigen zu müssen. Dies schließt mit ein, wie sich Mia mit einem heterosexuellen Mann näher kommt, der natürlich nach Bekanntwerden ihres Geheimnisses zuerst abweisend reagiert. Daneben wird auch behutsam darauf eingegangen, was es für ein Kind bedeutet, einen transsexuellen Elternteil zu haben. Soziale Aspekte wie Armut, Familienzusammengehörigkeit und Leben am Rande der Gesellschaft spielen ebenfalls eine Rolle in dieser übrigens hervorragend besetzten Drama-Serie und machen sie damit mehr zur Milieu-Studie als zum Gangster-Drama. In meinen Augen jedenfalls eine gelungene Mischung, die ich - auch dank einiger wirklich spektakulärer Wendungen - gespannt bis zum Ende verfolgt habe.

Mich hat "Hit & Miss" jedenfalls beeindruckt und auch irgendwie berührt. Wären da nicht ein paar Logikpatzer (z. B. gibt es bei den Auftragsmorden fast nie Zeugen geschweige denn Ermittlungen: Mia taucht irgendwo auf, das Opfer ist - ohne vorherige Observierung - (fast) immer allein und wird dann lautlos zur Strecke gebracht), die die Glaubwürdigkeit etwas rausnehmen, würde ich sogar noch höher bewerten. Aber sieht man darüber hinweg, handelt es sich um eine ungewöhnliche, mutige, spannende und aufschlussreiche Serie, von deren Art ich mir gerne mehr wünsche.