Eine kleine Gemeinschaft lebt in Bombay
Beach, einer sterbenden Stadt am Ufer des Saltonsees
mitten in der kalifornischen Colorado-Wüste. Der Film
erzählt die Geschichten von drei Bewohnern. Benny
Parrish ist ein manisch-depressiver Junge mit einer
blühenden Fantasie, was sowohl ihm wie auch seiner
waffenverliebten Familie Freud und Leid zugleich
verschafft. CeeJay Thompson, ein schwarzer Teenager, hat
sich nach Bombay Beach geflüchtet, weil er nicht das
Schicksal seines Cousins teilen wollte, der von einer
Jugendgang in Los Angeles ermordet wurde. Und mit Red,
der früher auf den Ölfeldern gearbeitet hat, kommt auch
ein Alteingesessener zu Wort, der mittlerweile
hauptsächlich von Whiskey und Zigaretten lebt.
Verwoben sind die Erzählungen mit traumhaften,
choreografierten Sequenzen, in denen die Protagonisten
zur Filmmusik von Zach Condon (Beirut) und zu Liedern
von Bob Dylan tanzen.
Der amerikanische Traum wirkt heutzutage wie eine
zynische Romantisierung des harten Sozialdarwinismus in den Vereinigten Staaten.
Der Theorie nach soll aus jedem Tellerwäscher ein Millionär werden können. In
Bombay Beach und der gleichnamigen Dokumentation von Alam Har’el ist das schwer
vorstellbar.
Ein durch Zufall erschaffener Salzsee, eine kurze
glorreiche Vergangenheit als touristischer Anziehungspunkt und ein paar
heruntergekommene Häuser, so stellt sich Bombay Beach heute dar. Die gute, alte
Landflucht hat die Einwohnerzahl verringert und junge Menschen sind rar. Den
meisten (jungen) Menschen dürfte die Gegend durch das gut 80 Kilometer entfernte
Coachella Festival bekannt sein oder der berühmte "Joshua Tree"-National Park.
Aber hierher, direkt an den Salton Sea verirrt sich niemand. Außer halt CeeJay,
der verständlicherweise diese Tristesse dem Gangleben in Los Angeles vorzieht.
Die drei Bewohner, die Har’el portraitiert um damit
ein Bild von Bombay Beach zu zeichnen sind wunderbar gewählt, erscheinen sie
doch auf den ersten Blick so unterschiedlich wie irgend möglich.
Red, der alte, weise Mann, dessen Worte durchaus
Zitierfähigkeit besitzen, wenn man mal von der ein oder anderen
rassistisch-bedenklichen Aussage absieht. Ein Mann dessen Arbeitsethos und
Lebenseinstellung den amerikanischen Traum verinnerlicht haben, dieser aber
schlussendlich ein Traum geblieben ist. Er wird bis zu seinem Tod auf sich
gestellt, sehen müssen, wo er bleibt. Bleiben sollte er eigentlich auch besser im
600 Kilometer entfernen Fresno, wo er sich nach einem Herzinfarkt erholt. Nur um
dann in die Wüste zurück zu kehren.
CeeJay, ist vor den LA Gangs geflüchtet und jetzt
Sportstar an der örtlichen Highschool. Er ist glücklich verliebt und hofft mit
guter Leistung ein Stipendium an einer Uni zu bekommen. Für ihn ist der
amerikanische Traum greifbar, nur nicht in Bombay Beach. Da es keine Uni in
Salton Sea gibt, wird er diesen Ort wieder verlassen, denn es ist nicht zu
erwarten, dass er für seine High School Liebe diesen Traum aufgibt.
Und schließlich der tragische Star des Films: Benny.
Seine Geschwister und er haben das ganz große White-Trash-Lebenslos gezogen.
Beide Eltern sind knasterfahren. Der Vater vor allem
deswegen, weil ihn die Armee abgelehnt hat und er daraufhin mit seinen Buddies
Krieg in der Wüste gespielt hat, mit echten Waffen und Sprengstoff. Heute
trinken sie beide gerne Alkohol und bemitleiden sich zu später Stunde selbst,
während Klein-Benny auf der Couch versucht zu schlafen. In gewissen Momenten
strahlen sie dann doch eine gewisse Sympathie aus, die sie nicht vollends zu den
Bösewichten der Story verkommen lässt.
Irgendein Arzt hat Benny einst einen psychischen
Schaden diagnostiziert und nun nimmt er täglich eine stattlich-steigende Anzahl
von Pillen. Seine Mutter scheint besorgt deswegen, aber die weiß es halt auch
nicht besser. Vom ersten Moment an, wenn man Benny in seiner Umgebung sieht,
weiß man, dass Bombay Beach auch für ihn nicht der richtige Ort ist.
Wenn es den amerikanischen Traum in der
amerikanischen Realität also gibt, dann vermutlich nicht in Bombay Beach.
Har’el hat schon einige Indie-Musikvideos und
Obama-Kampagnenfilme gedreht. In Bombay Beach hat sie auch einige Szenen als (Tanz-)Performances
inszeniert. Unterlegt mit Zach Condons schwelgerischer Musik tut das der
Dramatik gut, aber es sind die „echten“ Szenen, die einen mitreißen.
Wenn Red davon spricht, dass ein Kind, das nie die
Liebe seiner Eltern füreinander gesehen hat, immer einsam bleiben wird. Oder
wenn Benny gefragt wird, was er später werden will und mit „Weirdo“ antwortet.
Wenn CeeJay, der sich als harter, zielorientierte Player gibt, eine liebevolle
Collage für seine Freundin bastelt.
Dieser Film ist keine faktische Dokumentation. Es
ist ein emotionales Kunstwerk beruhend auf sehr realen Begebenheiten. Zum Glück
fehlt die übliche Moralkeule. Da sprechen die Begebenheiten im Film für sich.
Sinnbildlichste Szene: Während seine Mitschüler zu
Anfang des Unterricht fleißig zur Amerikanischen Flagge beten, liegt Benny mit
verschränkten Armen auf seinem Tisch. Ist er beleidigt, müde, traurig, fertig,
benommen oder wütend? Fakt ist, dass er dieses Schuljahr wohl wieder Ärger mit
der Schulleitung haben wird. Oder wird ihn diese preisgekrönte Dokumentation 15
Minuten berühmt machen und ihm seine Chance auf den amerikanischen Traum
gewähren?
Wer wissen
will, wie es den Protagonisten heute geht, schaut in die Extras. Sehr
aufschlussreich, stellenweise entzaubernd. Ansonsten gelöschte Szenen und
Kommentare, die den Film nicht nennenswert „erweitern“. Dazu findet sich noch
ein verzichtbares Musikvideo von Har’el, damit man weiß, was sie sonst noch so
macht.