S - Album |
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Was kann man von einem SIEGES EVEN – Album nach knapp 8 Jahren erwarten ? So lange ist es nämlich schon her seit das enorm verfrickelte Techno Metal – Werk „Uneven“ das Licht der Welt erblickte. Ok, das Brüderpaar OLIVER (Bass) und ALEX HOLZWARTH (Drums) sollte eigentlich nicht eingerostet sein, sie standen bzw. stehen schließlich auch auf der Payroll von BLIND GUARDIAN, RHAPSODY und PARADOX, ganz davon abgesehen das Klasse – Musiker eh nicht einrosten. Die Frage war also eher ob man die Magie alter Tage würde erreichen können und diesbezüglich ist nicht das „nur“ sehr gute „Uneven“ – Album der Maßstab sondern ein Meilenstein der deutschen Musikgeschichte (sag ich jetzt einfach mal so), nämlich das 1991 erschienene Meisterwerk „ A Sense of Change“, für mich persönlich eines der wichtigsten Alben überhaupt, aber das ist eine eher emotionale und andere Geschichte. Warum dieses Album die Messlatte darstellt ? Ganz einfach, weil der bis dahin noch im Line – Up stehende fantastische Gitarrist MARKUS STEFFEN nun wieder zur SIEGES EVEN – Besatzung gehört. Eben jener Gitarrist der sich mit „A Sense of Change“ und seinem darauf dargebotenen Gitarrenspiel definitiv in die Liga der originellsten nationalen Gitarristen hievte und eine dermaßen große Emotionalität an den Tag legte die auch heute noch unerreicht ist. Selten solche progressive Gitarrenarbeit gehört, bei der auch noch der Ausdruck über die Kunst triumphierte, wobei letztere natürlich auch noch ohne jeden Zweifel jederzeit präsent war. Die Annäherung von MARKUS STEFFEN an die HOLZWARTH`s ist aber kein Schnellschuss gewesen, bereits nach dem „Uneven“ – Split musizierte man bereits wieder gemeinsam, mal unter dem Banner LOOKING GLASS SELF (mit ANDRÉ MATOS von ANGRA, SHAMAN am Gesang), mal nannte man sich VALPARAISO. Einige Elemente dieser Projekte wurden in veränderter Form auf „The Art of Navigating by the Stars“ verwendet. Blieb nur noch das Sängerproblem, der charismatische JOGI KAISER war längst über alle Berge. Eines Tages trudelte dann ein Demo mit KANSAS – Interpretationen in den SIEGES EVEN – Briefkasten, eingesungen von einem gewissen ARNO MENSES, einem Niederländer aus Rotterdam. Er überzeugte das Trio sofort und schon war der neue Mann am Mikro gefunden und konnte sich bereits zu VALPARAISO – Zeiten beweisen. Dies nur kurz zur Historie, beantwortet immer noch nicht die Frage was man nach so einem langen Zeitraum von SIEGES EVEN erwarten kann ? Ich war skeptisch, sehr skeptisch, aber ich wurde förmlich weggeblasen, nein besser an der Hand genommen auf eine anspruchsvolle schwermütige und jederzeit emotionale Reise in einen ganz eigenen Musikkosmos.
„The Art of Navigating by the Stars“ ist ein Konzeptalbum ohne wirkliches Konzept, eher mit einem roten Faden. Nicht allein deswegen können auch die in Sequenzen unterteilten Songs für sich alleine stehen. Textlich mag es eine Art Vergangenheitsbewältigung darstellen, prägnante Momente im Leben eines oder mehrerer Menschen von der Geburt bis zur Lebensmitte werden hier belichtet. Da mir die Texte noch nicht ganz vorliegen erspare ich mir allerdings nun eine völlige Interpretation ins Blaue.
Ich sollte wohl eh lieber mal zur Musik kommen und die ist schlicht und einfach fantastisch. Bereits der gut 10-minütige Opener „The Weight“ mit seinen aggressiven Gitarrenakkorden zu Beginn, die übrigens im weiteren Verlauf wie auch einige Gesangspassagen wiederholt in die Songs eingebunden wurden, macht vom ersten Ton an klar dass es sich hier um SIEGES EVEN und nichts anderes handelt. Dies Art wie sich mal Gitarre / Bass, dann wieder Bass / Schlagzeug duellieren, dafür sind SIEGES EVEN bekannt, wobei duellieren nicht so sehr zutrifft, es ist natürlich schon ein Zusammenwirken. Aber die Art wie sie hier eingesetzt werden ist anders, man ist sich sofort bewusst dass es SIEGES EVEN sind, aber die Ansprüche sind andere. Noch mehr als auf „A Sense of Change“ ist die Atmosphäre, sind die transportierten Emotionen wichtiger als jede Frickelorgie. Der Gesang ist großartig, ARNO MENSES ist ein wirklicher Glücksgriff, seine warme hochemotionale Stimme fügt sich bestens in den Sound ein und nicht nur das, er ergänzt ihn auch noch um einige Facetten. So gibt es bei „The Weight“ formidable Harmony – Vocals in bester BOSTON – und eben KANSAS – Manier zu bestaunen, der 70er – Stadionrock scheint für Herrn MENSES nicht unwesentlich beeinflussend gewesen zu sein. Ganz zu schweigen von den vielen bemerkenswerten Gesangslinien, die sich wie ein (zweiter) roter Faden durch das ganze Album ziehen und für die ein oder andere Gänsehaut sorgen. Dabei klingt der bisher noch nicht in Erscheinung getretene Rotterdamer immer selbstbewusst, sich seiner Stärken bewusst, ganz groß !
Mit „Lonely Views of Condors“ folgt der eingängigste Song, im lockeren Uptempo gehalten und mit einem ausgezeichneten Refrain versehen, aber auch zahlreich an Details, dafür steht allerdings jeder Song dieses Albums. „Unbreakable“ zeichnet sich durch seine balladeske Schwermütigkeit aus, ein Element welches noch sehr oft und in immer wieder anderer Weise aufgegriffen wird. Grandios auch die schwebende Akustik- Gitarre, mit ihr wird der Text bei dem es sich um Verlust(ängste) dreht bestens in Töne gekleidet. Bei den vielen auf „The Art of Navigating by the Stars“ bricht sich MARKUS STEFFEN`s Vorliebe für klassische Gitarre und das Studium einer solchen Bahn, phänomenal.
„Stigmata“ kommt dann schon etwas beschwingter um die Ecke, auch der Refrain versprüht Optimismus, wobei am Ende das Anfangsthema von „The Weight“ aufgegriffen wird („The View from here is frightening“)
„Blue Wide Open“ ist eine Klasse – Ballade mit südamerikanischem Flair und ergreifenden variablen Vocals, besonders bleibt der schöne Flamenco – Part hängen, sehr fein.
„To the ones who have failed“ ist anfangs sehr geradlinig und rockig gehalten und weist mal wieder diese unwiderstehlichen Harmony – Vocals (übrigens von ARNO MENSES im Alleingang auf mehreren Spuren eingesungen) auf. In der Mitte wird fein soliert, und zwar mit einer solch eindrucksvollen Leichtigkeit dass es eine wahre Wonne ist. Aber trotzdem versprüht man während des ganzen Songs eine melancholische Atmosphäre.
Auch „Lighthouse“ und das abschließende „Styx“ leben von dieser seltsam entrückten aber wunderschönen Atmosphäre, ich nenne sie schon fast Sehnsucht, sind mit vielen Details ausgestattet, die einem bei jedem Hören immer neue Aha – Effekte bereiten, auch wenn bei letzterem der schon bekannte und schon fast wiederersehnte „The Weight“ - Part ins Fadeout mündet.
Und so endet ein Album welches meine Erwartungen bei weitem noch übertroffen hat, ein Album jenseits aller musikalischen Mathematik, eine brillant in Szene gesetzte Wundertüte an Emotionen, ein Album welches den auf „A Sense of Change“ eingeschlagenen Weg durchaus verfolgt aber doch auch ganz anders ist, wüsste ich nicht das wahre Alter der Herren könnte man schon fast von einem altersweisen Werk ohne jede Routine und Eingefahrenheit sprechen. Die Herren von SIEGES EVEN verstehen es definitiv nach den Sternen zu navigieren und werden auch hoffentlich nach ihnen greifen.
Was hier vor allem an Gitarrensounds verwertet wird ist einmalig, MARKUS STEFFEN soliert recht wenig arbeitet viel mit cleanen Sounds, Chorus und einprägsamen Harmonien, oft passiert im Detail so viel dass man schon Keyboards im Gesamtsound hört obwohl gar keine vorhanden sind. Dies soll aber nicht bedeuten dass ich hiermit die Gebrüder HOLZWARTH in den Hintergrund drängen möchte, aber ich glaube die Rückkehr von STEFFEN war für SIEGES EVEN sehr sehr wichtig, diese drei Herren sind einfach SIEGES EVEN, was das musikalische Grundgerüst anbelangt, perfekte „partners in crime“ und einen vierten Mann scheint man nun ja auch gefunden zu haben, bleibt nur zu hoffen dass ARNO`s Engagement von längerer Dauer als das seiner Vorgänger sein wird. Die Zeichen für die München / Rotterdam – Connection stehen jedenfalls auf Sturm, überwiegend gute Reviews, eine anstehende Tour mit DEADSOUL TRIBE, das „Comeback“ lässt sich also gut an.
Mit „The Art of Navigating by the Stars“ untermauern SIEGES EVEN eindrucksvoll dass sie hierzulande in einer ganz eigenen Liga spielen und natürlich auch international keinen Vergleich zu scheuen brauchen.
Ähnlich geartete Bands wie seinerzeit LIFE ARTIST oder NOOM sind schon längst von der nationalen Bühne verschwunden, die Vormachtstellung ist vergeben ohne jede ernsthafte Konkurrenz. Nur ein Beleg für die einzigartige Klasse von SIEGES EVEN.
Auch produktionstechnisch steht man auf hohem Niveau, gemeinsam mit REBELLION – Chef UWE LULIS hat man einen transparenten warmen Klang gezaubert der dem Songmaterial ohne Probleme gerecht wird.
Als anspruchsvoller Musik – Fan sollte man dieses Album im Regal stehen haben, basta.
Texas, 11,5 Punkte
sonstige Benotungen: Hage, 10,5 Punkte
Andreas, 8 Punkte
Die Songs:
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